Das Thema „Evangelisierung“, das in den 80er und 90er Jahren viel diskutiert wurde, ist zurück – in der Kirche und in der Charismatischen Erneuerung. Nicht, dass es ganz verschwunden war, aber es ist auf der Tagesordnung wieder nach oben gerückt. Der Vorstand der CE Deutschland beschäftigt sich gerade intensiv damit. Papst Franziskus spricht von „missionarischen Jüngern“ (siehe Evangelii Gaudium, Nr. 119f). Das ist seine Vision von Kirche. Keine Leute, die nur konsumieren, keine Namen in der Kartei, sondern aktive Christen, die ihre Gaben entdecken und einbringen und am Reich Gottes mitwirken. Jede und jeder Einzelne. Josef Fleddermann, Pfarrer in Bremen und Vorsitzender der CE in Deutschland, verweist im Folgenden auf das Vorbild Jesu zu diesem Thema. Die Begriffe “Evangelisation” und “Evangelisierung” werden von uns synonym verwendet.
Worum geht es in der Evangelisation vor allem?
Wenn ich es in einem Satz sage: Menschen für Jesus Christus gewinnen.
Dazu fällt mir die Schriftstelle aus dem Johannesevangelium über die Berufung der ersten Jünger ein (Joh 1,35-51). Johannes schildert die Berufung etwas anders als wir es bei Matthäus, Markus und Lukas hören.
Da ist zunächst einmal Johannes der Täufer, der auf Jesus hinweist als das „Lamm Gottes“. Er tut es, als wolle er sagen, es geht um IHN, nicht um mich. Und dadurch verliert er sogar seine eigenen Jünger, die dann hinter Jesus hergehen.
Einige wichtige Punkte lehrt mich dieser Text:
- Es geht um ein Verweisen auf Jesus (ein erster Schritt der Evangelisation,) und nicht, für sich selbst sammeln.
Jesus bemerkt, dass ihm zwei Johannesjünger folgen, und stellt die berühmte Frage: „Was wollt ihr?“ Und auf deren Antwort „Wo wohnst du?“ lädt Jesus sie ein „Kommt und seht!“ Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben an jenem Tag bei ihm. Daraus lese ich:
- Nach dem Anliegen der „Neugierigen“ fragen.
- Einladend sein.
- Teilgeben am Leben (Jesu) – das tut man z.B., wenn man jemandem Gastfreundschaft gewährt.
Einer, der dabei war, ist Andreas. „Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden. Messias heißt übersetzt: der Gesalbte (Christus). Er führte ihn zu Jesus.“ (Joh 1,41f). Diese gute Nachricht behält Andreas nicht für sich, sondern teilt sie mit seinem Bruder, d.h.:
- Weitersagen, wenn man Jesus gefunden hat; von ihm sprechen da, wo es naheliegend ist und sich anbietet; bei denen, mit denen man in Beziehung steht.
Dann gibt es bei Johannes die direkte Berufung des Philippus, zu dem Jesus sagt: „Folge mir nach!“ (Joh 1,43) Und auch durch diesen Philippus geht es weiter: „Philippus traf Natanaël und sagte zu ihm: Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs.“ (Joh 1,45). Philippus enthält seinem Bekannten Natanaël diese lebenswichtige Nachricht nicht vor:
- Weitersagen, wenn man selbst von Jesus berufen worden ist.
Ich glaube, dass dieser Abschnitt zu Anfang des Johannesevangeliums etwas Grundsätzliches über Evangelisation sagt. Sie entsteht aus der Begegnung mit Jesus Christus, aus dem persönlichen angerührt oder betroffen werden durch diese Begegnung. Zweimal wird das Wort „gefunden“ benutzt. Sie haben in Jesus diesen „Schatz im Acker“ gefunden, für den es sich lohnt, alles auf eine Karte zu setzen (vgl. Mt 13,44-46).
Und weil man „gefunden“ hat, sagt man es weiter. Das ist wie ein Glas, in das man Wasser gießt und es dann überfließt. Wenn Evangelisation sich nicht wirklich aus dieser Quelle nährt, läuft sie Gefahr Demagogie und Manipulation zu werden. Wer Christus gefunden hat oder wer von ihm gefunden wurde, weiß, dass er sein/ihr Retter ist, dass seine Liebe Gnade ist. Und wenn er das weiß, wird seine Evangelisation von Demut und Freude erfüllt sein.
Man muss daher selbst evangelisiert worden sein, um zu evangelisieren.
Im 2. Timotheusbrief (1,6-11) heißt es: „Darum rufe ich dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist! Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht des Zeugnisses für unseren Herrn und auch nicht meiner, seines Gefangenen, sondern leide mit mir für das Evangelium! Gott gibt dazu die Kraft: Er hat uns gerettet; mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen, nicht aufgrund unserer Taten, sondern aus eigenem Entschluss und aus Gnade, die uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus geschenkt wurde; jetzt aber wurde sie durch das Erscheinen unseres Retters Christus Jesus offenbart. Er hat den Tod vernichtet und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht durch das Evangelium“.
Paul VI sagte es so in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Nuntiandi“ (Nr. 24): „Schließlich wird derjenige, der evangelisiert worden ist, auch seinerseits wieder evangelisieren. Dies ist der Wahrheitstest, die Probe der Echtheit der Evangelisierung: Es ist undenkbar, dass ein Mensch das Wort Gottes annimmt und in das Reich eintritt, ohne auch von sich aus Zeugnis zu geben und dieses Wort zu verkünden.“
Brennt dieses Feuer in mir?
(Foto: Pixabay)