Die Tagung bildete den vorläufigen Abschluss eines breit angelegten Forschungsprojektes der „Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben” der Deutschen Bischofskonferenz. Im Rahmen dieses Projektes entstanden vier empirische Länderstudien, die die Entwicklung der pfingstkirchlich charismatischen und evangelikalen Formen des Christentums in den verschiedenen Weltregionen untersuchten.
Die Schirmherrschaft über die Konferenz hatte Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, übernommen. Er würdigte das Forschungsvorhaben als „großen Dienst an der Weltkirche”.
Schätzungen zufolge gehören inzwischen ca. 400 Millionen Christen diesen neuen religiösen Bewegungen an. Diese Entwicklung ist mit einer erheblichen Schrumpfung der „traditionellen” Kirchen verbunden. Der Aufschwung der neuen Bewegungen stellt ein weltweites Phänomen dar, von dem Europa allerdings nur in geringem Maße berührt wird. Die katholische Kirche ist vor allem durch das Aufblühen von Pfingstkirchen und evangelikalen Gemeinden in Lateinamerika und Westafrika betroffen.
Die Studien der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe und die Referenten aus den verschiedenen Weltteilen zeigten übereinstimmend, dass die als rationalistisch, zu nüchtern, formalistisch und bürokratisch empfundene Glaubenskultur in den Großkirchen viele Menschen zu den neuen Bewegungen treibt. Dort finden sie oft eine dichtere Gemeinschaftlichkeit – die nicht selten aber auch autoritäre Züge trägt – und enthusiastische Glaubenspraktiken. Offenbar gelingt es vielen Gruppen, ihre Mitglieder zu einer größeren moralischen Festigkeit in ihrem Leben und zu besserem Zusammenhalt in den Familien zu bewegen. In Afrika und Lateinamerika können die neuen Bewegungen häufig an traditionelle religiöse Vorstellungen und Mentalitäten anknüpfen. Besonders starken Zulauf erhalten sie, wenn wegen eines Mangels an Priestern und Ordensschwestern die pastorale Präsenz der katholischen Kirche leidet.
Der international renommierte Religionssoziologe José Casanova (Washington) wies bei der Konferenz auf die große Zahl von Frauen hin, die sich in Lateinamerika den neuen Bewegungen anschließen. Da Frauen in allen Kulturen eine herausragende Stellung in der Weitergabe des Glaubens haben, drohe hier für die katholische Kirche ein gefährlicher Traditionsabriss.
Die bei der Konferenz in Rom vorgetragenen Erfahrungsberichte aus allen Teilen der Welt machten deutlich, dass es keine einheitliche „Strategie” im Umgang mit Pfingstkirchen und evangelikal-charismatischen Gruppen geben kann. Während ein Teil der Bewegungen – vor allem in den USA – offen ist für ökumenischen Dialog und Kooperation mit der katholischen Kirche, verstehen sich andere Gruppen als fundamentale Opposition zur Kirche und vertreten Theologien, die nach Auffassung der Bischöfe im Widerspruch zum Evangelium stehen.
„Wir müssen kritische Fragen an die pfingstkirchlichen und evangelikalen Bewegungen stellen. Und wir dürfen uns auch nicht scheuen, kritische Fragen an uns als Kirche zu richten. Es gibt pastorale Mängel, die das starke Wachstum der neueren Bewegungen begünstigen”, erklärte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Dr. Ludwig Schick. In diesem Zusammenhang sprachen sich mehrere Redner bei der Konferenz für eine Verschlankung der kirchlichen Strukturen, für eine Förderung verantwortlicher Laienarbeit und den Aufbau kleiner christlicher Gemeinschaften aus.
Hinweis:
Weitere Informationen und Materialien zur Tagung finden Sie auf dem Internetportal der Konferenz Weltkirche unter www.weltkirche.katholisch.de.
Die Deutsche Bischofskonferenz ist ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller Diözesen in Deutschland. Derzeit gehören ihr 65 Mitglieder (Stand: April 2013) aus den 27 deutschen Diözesen an. Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, zu gegenseitiger Beratung, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen Bischofskonferenzen. Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.