Er forderte, dass sich Kirchen nicht aus sozialen Initiativen und Einrichtungen zurückziehen dürften. Christen sollten zudem Beziehungen zu Menschen anderer Religionen pflegen, damit ein tolerantes Miteinander wachsen könne. Diana E. Raedler, Sozialdezernentin des Landkreises, stellte in den Mittelpunkt ihres Statements sog. „vergessene Kinder”, die in einem schwierigen Umfeld mit psychisch kranken, suchtkranken oder auch gewalttätigen Eltern aufwüchsen, aber häufig keine direkte Hilfe erführen. Sie plädierte für eine „Kultur des Hinschauens und Handelns” und mehr Zivilcourage auch von Seiten der Christen. Sie sollten ihren Glauben und ihre Werte auch in der Öffentlichkeit leben und vertreten.
CDU-Stadtrat Rolf Engler pflichtete seiner Vorrednerin bei. Christen sollten sich mit ihrer frohen Botschaft in der Gesellschaft einmischen und sowohl persönlich als auch gemeinsam „Flagge zeigen”. Bernd Bergemann von der Caritas Bodensee-Oberschwaben, würdigte, dass sich bereits heute viele Christen in der Gesellschaft ehrenamtlich engagierten – z.B. in der Nachbarschaftshilfe, für Pflegebedürftige, in der „Tafel”-Arbeit, der Kinderstiftung, in Vereinen und Stiftungen oder als Leihoma und -opa.
Weihbischof Thomas Maria Renz, Bischofsvikar für die Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, betonte in einem schriftlichen Grußwort für die Veranstaltung in Ravensburg, dass Europa lebensnotwendigerweise mehr brauche als eine gemeinsame stabile Währung. „Wenn das innerste Herzstück fehlt, das uns als Menschen in Europa einen kann, bleibt eine rein äußerliche Renovierung durch wirtschaftliche Rettungsschirme letztlich immer bruchstückhaft und brüchig.” Christen sollten über Konfessions- und Kirchengrenzen hinaus „den einzigartigen Rettungsschirm verkünden und gemeinsam bezeugen, den Gott selber aufgespannt hat: seinen Sohn Jesus Christus, als einzigen Herrn und Retter”. In einer Zeit großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verunsicherungen in Europa sei es wichtig, dass Christen gemeinsam Verantwortung für eine Stabilisierung Europas von innen her wahrnähmen.
Der evangelische Dekan Friedrich Langsam predigte in der katholischen Liebfrauenkirche beim Abschlussgottesdienst, den er zusammen mit dem katholischen Pfarrer Hermann Riedle feierte. Der christliche Glaube eröffne Wege zu fremden Menschen, die ebenfalls von Gott geliebte Geschöpfe seien. Man sollte im persönlichen wie im europäischen Kontext den anderen nicht als Konkurrenten sehen, der einem etwas wegnehmen wolle. Unterschiede könnten befremden, stören oder ärgern. Doch wer den anderen mit den Augen Gottes sehe, lerne ihn achten und schätzen. Dies stelle einen Weg zum Frieden und Miteinander in Europa dar.
Der Europatag in Ravensburg war Teil von ähnlichen Aktionen, die zeitgleich in mehr als 130 Städten Europas (davon 28 in Deutschland) stattfanden. Im Anschluss an die örtlichen Beiträge wurde direkt aus Brüssel die zentrale Veranstaltung mit Repräsentanten der europäischen Politik übertragen. In Oberschwaben kooperieren seit dem Jahr 2000 inzwischen mehr als 20 christliche Gemeinschaften und Bewegungen im Rahmen von „Miteinander in Oberschwaben”, darunter u. a. die Franziskanerinnen von Sießen, die franziskanische Gemeinschaft im Kloster Reute, Bewegungen wie Schönstatt und Fokolare, die Evangelische Allianz Ravensburg/Weingarten und Gemeinschaften wie Immanuel, Arche, St. Norbert und Zion (Ravensburg) sowie Dornbusch (Aulendorf). Außerdem sind überregionale Verbände wie die Geistliche Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche, die Charismatische Erneuerung in der Katholischen Kirche sowie Christen im Gesundheitswesen vertreten.
Fotos:
oben: Michael Rathgeb (links) moderierte die Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.) Bernd Bergemann (Caritas), Landtagspräsident Guido Wolf, Sozialdezernentin Diana E. Raedler und Stadtrat Rolf Engler.
unten: Die rund 150 Teilnehmer der verschiedenen christlichen Gemeinschaften und Kirchen nutzten den Tag auch zur Begegnung.
Fotos: PR/Immanuel