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Zungenrede bei Teresa von Avila in der „Inneren Burg“

tva

Es ist meines Erachtens eine starke Einung der Seelenvermögen, doch läßt unser Herr ihnen und ebenso den Sinnen die Freiheit diesen Genuß zu genießen, ohne zu begreifen, was sie da genießen und wie sie es genießen.

Das scheint Kauderwelsch zu sein, aber es passiert genauso, denn es ist ein so übermäßiger Genuß für die Seele, daß sie ihn nicht allein genießen, sondern allen weitersagen möchte, damit sie ihr helfen, unseren Herrn zu loben, denn daraufhin zielt ihr ganzer Beweggrund ab. O was für Feste würde sie geben und was für Zeichen, wenn sie nur könnte, damit alle ihr Genießen mitbekämen! Es sieht so aus, als hätte sie zu sich gefunden und als wolle sie,wie der Vater des verlorenen Sohnes alle einladen und große Feste geben, da sie ihre Seele an einem Ort sieht, von dem sie nicht bezweifeln kann, daß sie in Sicherheit weilt, zumindest für jetzt. Und ich bin überzeugt, daß sie Recht hat, denn solch tiefer innerer Genuß im tiefsten Inneren der Seele, bei solchem Frieden und wo ihr ganzes Glück sie zu Lobpreisungen Gottes drängt, das kann unmöglich der Böse eingeben.

Es ist schon viel und keine geringe Qual, wenn sie schweigt und es verheimlichen kann, sobald sie diesen starken Ansturm an Freude erlebt. Das muß wohl der heilige Franziskus empfunden haben, als ihm die Räuber begegneten, denn er ging laut rufend übers Feld und sagte ihnen, er sei ein Herold des großen Königs; und auch andere Heilige, die in die Wüsten gehen, um wie der heilige Franziskus als Herolde dieser Lobpreisungen Gottes auftreten zu können. Ich habe einen gekannt, der Fray Pedro de Alacantra hieß ( er ist so einer, glaube ich, nach seinem Leben zu urteilen, der genau dies machte, und wer ihn das eine oder andere Mal hörte, hielt ihn für verrückt. Welch heilsame Verrücktheit, Schwestern, wenn Gott sie uns doch allen gäbe!

O unheilvolle Zeiten, und erbärmlich das Leben, in dem wir gerade stehen!Glücklich diejenigen, denen ein so gutes Los zugefallen ist, daß sie ihm entkommen sind!Manchmal ist es mir eine besondere Freude, wenn ich diese Schwestern beisammen sehe, wie sie dieses Glück so ausgeprägt in ihrem Inneren haben, da diejenige , die mehr vermag, dem Herrn um so mehr Lob dafür spendet, sich im Kloster zu sehen, denn man sieht es ihnen an, daß diese Lobpreisungen aus tiefster Seele kommen.Ich möchte, daß ihr das oft tut, Schwestern, denn eine, die damit beginnt, regt die anderen an. Wozu könntet ihr euere Zunge besser gebrauchen, wenn ihr zusammen seid als für Lobpreisungen Gottes, da wir so viel Grund haben, um sie ihm zu bringen?

Möge es seiner Majestät gefallen, daß er uns diese Gebetsweise oft schenkt,da sie so sicher und gewinnbringend ist! Erwerben können wir sie nicht, da sie etwas ganz Übernatürliches ist; Doch kommt es vor, daß es einen Tag lang anhält und die Seele herumläuft wie jemand, der viel getrunken hat, aber nicht so viel, daß er von Sinnen ist, oder wie ein Melancholiker, der den Verstand noch nicht ganz verloren hat, aber von etwas, das er sich in den Kopf gesetzt hat, nicht mehr los kommt, noch es jemanden gibt, der ihn daherausholte.Es sind dies ziemlich grobe Vergleiche für etwas so Kostbares, aber mein Geist trifft auf keine anderen.Es ist nämlich so, daß diese Freude sie auf alle Dinge vergessen läßt, so daß sie nichts bemerkt noch zu sagen vermag außer, das was ihrer Freude entspringt, und das sind Lobpreisungen Gottes.Helfen wir dieser Seele, meine Töchter, wir alle! Wozu wollen wir denn mehr Hirn haben?Was kann uns größeres Glück verschaffen? Und helfen sollen uns alle Geschöpfe, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen! Amen! Amen!

 

(6. Wohnung 6.Kapitel; In der Ausgabe  von Herder/ Neuübersetzung von Ulrich Dobhan OCD und Elisabeth Peeters OCD –  Seite 275)