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Papst Franziskus und die katholisch-charismatische Erneuerung

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Während die rot-behüteten ‚Kirchenfürsten’ aus aller Welt in die Sixtinische Kapelle einzogen, erschienen bei Wettbüros, Buchmachern und in den Medien Listen von möglichen ‚Papabili’ oder Kandidaten für das Papstamt. In keiner der Listen, die ich angesehen hatte, fand ich den Namen von Kardinal Jorge Mario Bergoglio aus Buenos Aires, Argentinien, als wahrscheinlichen Kandidaten. Der Anzahl nach gab es mehr wahlberechtigte Kardinäle aus Italien, den USA, Deutschland und Indien als aus anderen Ländern. Als das Konklave mit 115 Kardinälen unter 80 Jahren am 12. März 2013 mit der Eucharistiefeier und Gebet begann, erwarteten Vatikanbeobachter ein längeres Konklave ohne führenden Kandidaten in Sicht. In der Kirchengeschichte gab es Papstwahlen, die sich endlos hinzogen. Zum Beispiel dauerte das Konklave des Jahres 1268 mehr als zwei Jahre, bis schließlich Papst Gregor X gewählt wurde. Auch in der modernen Geschichte dauerte die Papstwahl im Jahr 1740 181 Tage, bis schließlich Papst Benedikt XIV gewählt wurde. Dieses Konklave begann mit einem Wahldurchgang am 12. März, und endete mit dem 5. Durchgang am 13. März.

Die Kirche und die Welt hatten nicht erwartet, dass die Zweidrittelmehrheit so schnell erreicht werden würde. Die Wahl des 76-jährigen Kardinals Jorge Mario Bergoglio – der längst nicht als einer der Spitzenkandidaten galt – am zweiten Tag des Konklaves war für alle eine große Überraschung. Was, meinen Sie, führte zu einer so schnellen Wahl des neuen Papstes? Menschen auf der ganzen Welt beteten dieses Mal mit größerem Eifer als je zuvor, dass die Wahl auf einen geisterfüllten und vom Geist geführten Hirten als Leiter der Kirche fallen würde, die sich in einer der schwierigsten Zeiten in ihrer Geschichte gewaltigen Problemen gegenübersieht.

Durch die Weiterentwicklungen im Medienbereich ist es heute beim Gebet eine viel effektivere Mobilisierung und Vernetzung möglich als früher. Als Koordinator des ICCRS-Unterausschusses für Fürbitte hatte ich über die Mitglieder des ICCRS-Rates wiederholt die Bitte an nationale Leitungsgremien/Vorstände auf der ganzen Welt ausgesandt, sich intensiv für die Mobilisierung zum Gebet für die Papstwahl einzusetzen. Neben der hingegebenen Fürbitte von Millionen von Gläubigen gab es eine Reihe von anderen Gebetsnetzwerken. Zum Beispiel konnte eine einfache Webseite, die Nutzern in der Vorbereitungszeit auf die Papstwahl ermöglichte, nach dem Zufallsprinzip einen Kardinal zu adoptieren, mehr als eine halbe Million Personen mobilisieren. Auf der Seite von www.adoptacardinal.org fand sich die Botschaft: „Du bist dem Himmel unendlich dankbar, dass wir in Benedikt XVI einen so wunderbaren, weisen und gütigen Papst hatten? Du wünschst dir für die Kirche unserer Zeit einen glaubensstarken, geistgeleiteten, frommen und heiligen neuen Papst? Du möchtest als Teil des Leibes Christi in der Kraft des Gebetes deinen Beitrag dazu bringen, dass der Heilige Geist unsere Kardinäle schützt, erleuchtet und führt in der Wahl des Petrusnachfolgers?” Die Nutzer wurden dann eingeladen, einen Kardinal zu adoptieren, der ihnen zufällig zugeteilt wurde, und ihn durch Gebete und Opfer ihrer Wahl zu unterstützen. Den Kardinälen selbst war bewusst, dass sie „geistlich adoptiert” wurden und hatten sich zu der Initiative geäußert. Insgesamt kam es zu 552.383 Adoptionen von Kardinälen durch Menschen, die zur Fürbitte für sie bereit waren. Nach Abschluss des Konklave hieß es auf der Website: „Habemus Papam, thank you all for praying”.

Papst Franziskus war nicht die Wahl der Medien noch der Welt als Ganzes, sondern die Wahl des Heiligen Geistes. Es ist die Frucht eifriger Fürbitte von Millionen von Menschen, die die Kirche lieben, und somit trägt er den geistlichen Auftrag und die Salbung, die erforderlich sind, um die Kirche durch schwierige Zeiten segeln zu lassen. Die Äußerungen von Papst Franziskus selbst den Reportern gegenüber, die über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Wahl berichteten, sind da relevant: „In allem, was geschehen ist, ist letztlich der Heilige Geist der Protagonist. Er hat die Entscheidung Benedikts XVI. zum Wohl der Kirche angeregt; er hat die Kardinäle im Gebet und bei der Wahl gelenkt.” Kann irgendjemand, der Zeuge dieses großen Wunders ist, je behaupten, dass der Heilige Geist in der Kirche nicht aktiv sei und dass der neue Heilige Vater nicht jemand ist, der die Fülle des Heiligen Geistes kennt? Die überraschende Wahl von Papst Franziskus ist eine Bestätigung für die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche. Als Papst Franziskus am Abend des 13. März auf dem zentralen Balkon des Petersdoms erschien und vor einer jubelnden Menge von geschätzten 150.000 Personen, die sich selbst bei widrigen Wetterverhältnissen auf dem Petersplatz drängten, sowie vor all denen, die es auf der ganzen Welt im Fernsehen verfolgten, seine erste Rede „Urbi et Orbi” hielt, sagte er sehr wenig. Bei seinem ersten öffentlichen Auftreten als Papst brach Papst Franziskus mit der Tradition, indem er die Menschen bat, für ihn zu beten, statt erst der Menge seinen Segen zu erteilen: „Und nun möchte ich den Segen erteilen, aber zuvor bitte ich euch um einen Gefallen. Ehe der Bischof das Volk segnet, bitte ich euch, den Herrn anzurufen, dass er mich segne: das Gebet des Volkes, das um den Segen für seinen Bischof bittet. In Stille wollen wir euer Gebet für mich halten.” Der erste Gefallen, um den der neue Papst die Menschen bat, war, dass sie für ihn beten. Meinen Sie nicht, dass die Wahl von Papst Franziskus einem neuen Zeitalter der Einfachheit und Demut in der römisch-katholischen Kirche die Tür geöffnet hat?

Ich habe mich entschieden, über Papst Franziskus zu schreiben, da verschiedene Personen nach der Beziehung des neuen Papstes zur katholisch-charismatischen Erneuerung fragten. Ich denke, das zuvor Beschriebene spricht Bände über die Nähe des neuen Papstes zum Heiligen Geist und folglich auch zu den vom Heiligen Geist geleiteten Bewegungen. Die Tatsache, dass er der erste Papst ist, der seinen Namen, Papst Franziskus, nach dem hl. Franz von Assisi gewählt hat, dem Heiligen, der vom Herrn berufen war, die Kirche wieder aufzubauen, die in Ruinen lag, ist ein deutlicher Hinweis auf den Vorrang, den es für ihn hat, innerhalb der Kirche Erweckung zu bewirken. Wie Sie wissen, war der hl. Franziskus ein großer Reformator im 12. Jahrhundert, der versuchte, der Kirche bei der Widererlangung ihres apostolischen Eifers zu helfen. Der Name passt aus mehr als einem Grund auf den neuen Papst. Als er zum Konklave aufbrach, ersuchten ihn seine Freunde, als sie den Zustand seiner ausgetretenen alten Schuhe sahen, ein neues Paar als Geschenk anzunehmen. Mit den neuen Schuhen bekleidet, aber mit einem Rückflugticket, reiste er nach Rom. Als Erzbischof von Buenos Aires, entschied er sich, statt im Erzbischöflichen Palais in einer Wohnung zu leben, verwendete jeden Tag öffentliche Verkehrsmittel und kochte selbst für sich. Gleich dem hl. Franziskus möchte der Papst, das die Kirche arm im Geiste ist, demütig und Christus ähnlich in ihrem prophetischen Dienst an den Schwachen und Schutzlosen.

Kardinal Bergoglio war ein starker Unterstützer der Erneuerung in Argentinien. Gleich am Tag seiner Wahl verschickte ein ICCRS-Ratsmitglied aus Chile, Maria Jose Cantos de Ortiz, per E-Mail ein Foto von Kardinal Bergoglio in Begleitung von Oreste Pesare, dem Direktor des ICCRS-Büros, Vatikan, Jim Murphy, USA und Pino Scafuro, Argentinien, – alles charismatische Leiter – und ihr selbst. Er ist es gewohnt, mit Menschen zu beten und hat oft andere um Gebet gebeten. Aufgrund seiner Offenheit und Wärme sind die Beziehungen zwischen Evangelikalen und Katholiken in Argentinien sehr stark.

Er ermutigte seit ihren Anfängen 2003-04 die als CRECES bekannte Bewegung (wörtlich übersetzt Erneuerte oder Wiederhergestellte Gemeinschaft von Katholiken und Evangelikalen im Heiligen Geist). Bei deren Konferenz im Jahr 2007, als P. Raniero Cantalamessa, OFM Cap einer ihrer Referenten war, kniete Kardinal Bergoglio nieder und ließ P. Raniero und eine Gruppe von Pastoren aus der Stadt für sich beten. Nach seiner Wahl zum Papst veröffentlichte ein Pfingstpastor ein Bild von evangelikalen Pastoren, die über ihm beteten, während P. Raniero an seiner Seite stand, im Internet und fügte hinzu: „Ich bin voller Freude über die Wahl von Bergoglio, einem Mann voll des Geistes, der sich sehr für die Ökumene einsetzt.”

Msgr. Peter Hocken aus Österreich, Mitglied des Theologischen Ausschusses von ICCRS, der den Kardinal zufällig kurz vor seiner Abreise nach Rom zum Konklave besuchte, sagt: „Als ich Kardinal Bergoglio besuchte, war ich in Begleitung eines messianischen jüdischen Pastors, und am Ende beteten wir für seine Reise nach Rom und für das Konklave. Soweit ich weiß, planten auch die Pfingstpastoren von CRECES einen Besuch beim Kardinal, um vor seiner Abreise für ihn zu beten. Msgr. Hocken sagt: „Wir können gewiss sein, dass Papst Franziskus ein starker Unterstützer der Erneuerung sein wird und dass er den ökumenischen, interkirchlichen Charakter der Ausgießung des Heiligen Geistes in unserer Zeit versteht.”

Der ehemalige ICCRS-Präsident Charles Whitehead aus Großbritannien sagte: „Wir werden ein entspannteres, offeneres, einfacheres Papsttum sehen, einen gemeinschaftlicheren, kollegialeren Ansatz bei der Kirchenleitung, eine einfachere, direktere Verkündigung von Jesus als dem Erlöser der Welt.” Um die Gründe, warum er dieser Ansicht ist, näher auszuführen, berichtete Charles von seinen Erfahrungen, als er 2005 Buenos Aires mit einigen Mitgliedern der Internationalen Charismatischen Konsultation für Weltevangelisation besuchte: „wir erlebten ihn als zuvorkommenden, demütigen, humorvollen, mutigen und sehr intelligenten Mann, pastoral einfühlsam, einen Mann des Gebets und völlig hingegeben an die Person Jesu Christi und die Aufgabe, ihn allen bekannt zu machen.” Charles fügte hinzu, als sich ihr Gespräch dem Ende zuging und sie aufbrechen wollten, kniete sich Kardinal Bergoglio nieder und bat sie, für ihn zu beten, vor allem die Frauen, die die Leiter begleiteten, denn ihre Gebete hätten immer große Vollmacht! Ihm wurden die Hände aufgelegt, und sie beten für ihn und mit ihm. Sein Biograph Matthew Bunson berichtet, dass der Tagesablauf des Papstes so aussieht, dass er zwischen 4.30 und 5.00 Uhr morgens aufsteht und mehrere Stunden im Gebet verbringt.

Wir sehen die Hand Gottes am Werk in der Wahl von Papst Franziskus zu dieser entscheidenden Zeit in der Geschichte der Kirche. Die Abschiedsbotschaft von Papst Benedikt XVI vom 14. Februar 2013 gilt als sein theologischer letzter Wille und Testament, in der er zu einer „wirklichen Erneuerung” in der Kirche im Geistes des reformistischen Zweiten Vatikanischen Konzils aufruft. Als Papst Johannes XXIII am 25. Januar 1959 das Zweite Vatikanische Konzil einberief, sagte er, er wolle er die Fenster der römisch-katholischen Kirche öffnen, um ‚frische Luft’ einzulassen. Aggiornamento war die von Papst Johannes XXIII vorgeschlagene Aufgabe für das Vatikanische Konzil. Etymologisch bedeutete das Wort ‚Anpassung an heutige Verhältnisse’ oder Erneuerung. Somit forderte er die gesamte Kirche mit dem Gebet, das er der Kirche am 25. Dezember 1961 gab, auf zu beten: „Erneuere in unserer Zeit deine Pfingstwunder”. Als Papst Johannes XXIII weniger als drei Monate nach seiner Wahl die Entscheidung verkündete, das Konzil einzuberufen, überraschte er alle. Die Worte und Taten von Papst Franziskus ab dem Moment seiner Wahl haben viele innerhalb und außerhalb der Kirche überrascht. Der neue Heilige Vater lebt das aggiornamento, von dem Papst Johannes XXIII träumte, und arbeitet auf die „wirkliche Erneuerung” hin, zu der sein Vorgänger aufgefordert hat. Papst Franziskus ist der Mann „gerade für eine solche Zeit” (Ester 4,14; Jerusalemer Bibel). Es wird ein ereignisreiches, historisches Pontifikat sein. Wir freuen uns darauf, den Heiligen Geist durch Papst Franziskus auf überraschende Weisen wirken zu sehen, um die Kirche zu erneuern. Wir unsererseits, lasst uns beten und den Heiligen Vater unterstützen, damit er durch sein Petrusamt dazu beitragen kann, dass „ein neuer Himmel und eine neue Erde” entstehen (Offb 21,1)!

Cyril John
ICCRS Vice-President